AWO Thüringen zum Flüchtlingsgipfel: Wir brauchen eine Gesamtstrategie

AWO Thüringen begrüßt gemeinsamen Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen

Die AWO Thüringen begrüßt den gemeinsamen Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen, der heute auf Einladung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Berlin stattfindet.

„Was wir brauchen und fordern, ist eine kluge Gesamtstrategie, die vom Ankommen über die Unterbringung bis zur psychosozialen Betreuung und Beratung sowie Unterstützung der Integration reicht“, so AWO-Landesgeschäftsführerin Katja Glybowskaja. In den vergangenen Jahren gab es durch Kriege, Verfolgung, Naturkatastrophen, Dürren und weitere Faktoren immer wieder Situationen, in denen Menschen gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. „Und dennoch standen wir immer wieder vor ähnlichen strukturellen Problemen und Herausforderungen – wir müssen aus der Vergangenheit lernen“, so Glybowskaja. Der anhaltende Krieg in der Ukraine, die Lage in Afghanistan, Katastrophen wie zuletzt das Erdbeben in Syrien und der Türkei und der fortschreitende Klimawandel sind nur einige Beispiele, die auch zukünftig noch größere Fluchtbewegungen, auch nach Deutschland, bedeuten werden.

Die AWO Thüringen hat in der Vergangenheit die Betreuung mehrerer Notunterkünfte übernommen, zuletzt in zwei umgenutzten Erfurter Schulturnhallen, und kennt die Sollbruchstellen in der Praxis daher aus eigener Erfahrung. In Spitzenzeiten lebten bis zu 90 aus der Ukraine geflüchtete Menschen in jeder Turnhalle. „Das größte Problem war, für die Menschen Wohnungen und rechtzeitige Behördentermine zu bekommen“, berichtet AWO-Sozialbetreuerin Oleksandra Pfeifer. Einen Großteil ihrer Arbeitszeit verbringt sie mit der Wohnungssuche für die ihr anvertrauten Menschen. Es gibt Personen, die fast neun Monate in der Turnhalle gewohnt haben. Gerade für Familien mit kleinen Kindern und für betagte Menschen ist das ungeeignet. „Auf Wohnungsinserate muss man schnell reagieren – so schnell bekommt man von den Behörden die nötigen Unterlagen gar nicht“, ergänzt Pfeifer weiter. Der guten Kooperation von AWO, Stadt, ehrenamtlichen Strukturen und einem kommunalen Wohnungsunternehmen ist es zu verdanken, dass die geflüchteten Menschen den Umständen entsprechend bestmöglich versorgt werden konnten.

Auch die Beratungsstrukturen für Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund müssen weiter ausgebaut werden. Bereits heute gibt es zahlreiche weiße Flecken auf der Beratungslandkarte und der Bedarf nach Angeboten wird perspektivisch weiter steigen. Besonders unverständlich: Zwei Drittel der in Thüringen geschaffenen Stellen für Migrationsberatung – für den Mehrbedarf durch die ukrainische Geflüchteten – wurden zum 1. Januar nicht weiter gefördert. In Thüringen deckt eine Beratungsfachkraft oft mehrere Landkreise ab. „Angesichts des Aufgabenspektrums der Migrationsberatung ist das schlicht nicht leistbar“, so AWO-Landesgeschäftsführerin Katja Glybowskaja. „Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die nun anlaufende Umsetzung der bundesgeförderten Asylverfahrensberatung für Geflüchtete, wie im Koalitionsvertrag verankert. Wichtig ist uns, dass die Bedarfslagen eines Flächenlandes wie Thüringen dabei berücksichtigt werden.“ Wie leistungsfähig die Migrations- und Flüchtlingsberatung der AWO Thüringen ist, bewies sie in der Pandemie: Während viele Behörden und Ämter in den Lockdowns die Arbeit weitestgehend eingestellt haben, fanden die Beratungen bei der AWO draußen, am Fenster, telefonisch und online statt. „Wir sind den Herausforderungen von heute gewachsen – wenn wir mit den nötigen personellen wie finanziellen Ressourcen ausgestattet werden.“

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