Das verflixte erste Jahr

Die AWO Senioren-WGs in Barchfeld und Gräfenthal haben im Sommer 2020 während der Pandemie still und heimlich eröffnet und nun ihren ersten Geburtstag gefeiert.

Eine Senioren-WG in Zeiten von Corona zu eröffnen, klingt nicht nur nach einer Herausforderung, sondern ist es auch. In den Orten Barchfeld und Gräfenthal ist man dieser Aufgabe trotzdem nachgegangen und hat sie erfolgreich gemeistert. Nach kleinen Startschwierigkeiten und langen Phasen der Isolation geht es stetig in die richtige Richtung. Die Laune steigt, die Teams sind eingearbeitet und das Konzept einer Wohngemeinschaft funktioniert. Trotz der aktuell guten Situation war die Ausgangslage der beiden WGs dennoch sehr unterschiedlich.


Gräfenthal – ein Umzug mit Umgewöhnung

In Gräfenthal zog man mitten in der Pandemie vom alten AWO-Pflegeheim in die neuen WG-Räumlichkeiten um. Dabei gab es nicht einfach nur einen Ortswechsel, sondern auch einen kompletten Wandel bei dem Betreuungskonzept. Der Umzug selbst war kurz gesagt: Anstrengend. 

Vorbereitung mit Hindernissen

Die Räumlichkeiten des ehemaligen Krankenhauses, das viele Jahre als Pflegeheim in Trägerschaft der AWO AJS gGmbH gedient hatte, waren inzwischen in die Jahre gekommen. Das Gebäude auf dem Berg hatte zwar durchaus Charme mit seinem verwinkelten Aufbau und der Gartenterrasse, doch die isolierte Lage und die alte Bausubstanz erforderten langfristig gesehen eine andere Lösung. Der geplante Neubau in der Nähe des Gräfenthaler Ortskernes wurde deswegen sehnsüchtig erwartet und 2020 fertiggestellt. Durch die Pandemie musste der Umzug unter strengsten Hygieneauflagen erfolgen. Dadurch konnten die Bewohner*innen ihre zukünftigen WG-Apartments nicht vorab besuchen, was eine Planung der Raumgestaltung unmöglich machte. Die Angehörigen konnten die Räume vorab besichtigen, aber so kamen die Informationen eben nur aus zweiter Hand. 

Plötzlich eine WG

Die Planungsschwierigkeiten lagen zusätzlich auch an dem Wechsel des Betreuungskonzeptes. Statt einer stationären Betreuung der Seniorinnen und Senioren in einem klassischen Pflegeheim gibt es jetzt eine ambulante Betreuung für Mieter*innen. „Ein Wechsel, den es so noch nicht gegeben hat – selbst die Krankenkassen und Ärzte waren überfordert", sagt Teamleiterin Marion Kuschminder. Das hatte auch zur Folge, dass die ehemaligen Heimbewohner*innen ohne eigenes Mobiliar dastanden. Deswegen hat die Geschäftsführung der AJS die Möbel aus dem alten Pflegeheim, als Übergangslösung, zur Verfügung gestellt. Der Vorteil: Diese waren an die teils hohen Pflegegrade der Bewohner*innen angepasst. Andererseits waren sie aber bis zu 20 Jahre alt. 

Der Transport der Möbel war das nächste Hindernis. Durch die Hygieneauflagen konnte das Transportunternehmen alle Einrichtungsgegenstände nur bis zum Bordstein liefern. Für den restlichen Weg musste das Personal ran und das bedeutete Möbel schleppen für 24 WG-Apartments, natürlich mit Maske. Angekommen im neuen Domizil, musste sich natürlich erst einmal eingelebt werden. Das war für beide Seiten eine Belastung. An die neuen Freiheiten und Verpflichtungen des Wohnkonzeptes WG mussten sich die Bewohner*innen erst einmal gewöhnen. Das Pflegeteam musste sich an die neuen Schichtabläufe und die veränderte Arbeitsweise anpassen. Eine riesige Herausforderung, bei der man besonders den wachsenden Zusammenhalt des Teams gemerkt hat, auf das Marion Kuschminder unglaublich stolz ist.  

Einleben in der Pandemie

Doch die Isolation durch Corona machte sich schon bald bemerkbar. Für eine Eröffnungsfeier gab es keine Gelegenheit. Wie viele andere Menschen hatten die Mieter*innen eine Menge Zeit und keine Ausflugsmöglichkeiten. Das Besuchskonzept der AWO ermöglichte immerhin noch den Besuch von einer Bezugsperson. Mit längerer Eingewöhnungszeit und dem Abflachen des Infektionsgeschehens gab es mehr und mehr Möglichkeiten für Unternehmungen. Das Konzept einer Wohngemeinschaft ging zunehmend auf und erste gemeinsame Aktionen konnten umgesetzt werden. Somit wurde gemeinsames Kochen, kleine Spaziergänge und gesellschaftliche Events möglich. Das Besondere: durch die Nähe zum Ort ist es immer öfter möglich, sich in das Geschehen im Dorf zu integrieren und somit das Miteinander zu fördern. Auch die Angebote der Seniorenbegegnungsstätte der AWO sollen zukünftig genutzt werden und der AWO-Kindergarten wird zu Besuch kommen. Die gute Entwicklung macht sich auch bei der Nachfrage bemerkbar. Die WG ist voll und die ersten Anfragen kommen auf eine Warteliste. Für besonders dringende Fälle hat Marion Kuschminder jedoch auch ein Herz und ist immer Hilfsbereit eine Lösung zu finden.

Zum einjährigen Bestehen gab es dann aber doch noch eine kleine Feier. Mit dieser sollte besonders dem Team gedankt werden, ohne dessen Hilfe das alles nicht möglich gewesen wäre. 


Barchfeld – Zwischen Isolation und Wohngemeinschaft 

Die Senioren-WGs in Barchfeld-Immelborn wurde am 1. Juli 2020 eröffnet. Im Rahmen der Möglichkeiten gab es auch eine Einweihungsfeier. Doch mit den ersten Monaten kamen auch die ersten Herausforderungen. Im ersten Lockdown gab es 24-Stunden-Schichten und das ambulante Pflegepersonal hat fast mit im Haus wohnen müssen. Durch die Pandemie wurden die Aktivitäten heruntergefahren. Die Isolation und eingeschränkte Bewegungsfreiheiten sorgten dafür, dass die Lebensqualität der Mieter*innen abnahm. Durch Corona Infektionen musste die WG auch zweimal geschlossen werden und unabhängig davon sind liebgewonnene Mitbewohner*innen gegangen. Diese Belastung schlug sich auf die Stimmung nieder und in der ersten Zeit war es so kaum möglich- sich richtig einzuleben. Viele Bewohner*innen hatten Angst vor dem Pandemiegeschehen. 

Neue Kraft schöpfen

Doch mit den Lockerungen kam auch ein Lächeln zurück. Die 17 Mieter*innen konnten das Konzept einer Senioren-WG zunehmend mehr kennenlernen und Teamleiterin Silva Ditfe und ihr Team haben mit spannenden Ideen mehr Bewegung in den Alltag gebracht. Hochbeete wurden gebaut und bepflanzt, es wurde gemeinsam gekocht und gebacken und eine tägliche Frühsportrunde gegründet. Es scheint schon fast ein Motto zu sein, die Bewegung zu fördern und möglichst oft draußen zu sein. Zumindest in der Pandemie kann man es schon als eine Art Hobby sehen. Dieses bietet sich bei dem großen Außengelände gut an. Neben dem vielfältigen Beschäftigungsangebot gab es auch tierischen Zuzug. So wurde nicht nur ein Teich gebaut, indem nun Goldfische schwimmen, sondern auch der liebenswerte Kater „Heini“ adoptiert. Generell ist man in der WG sehr tierfreundlich und somit steht auch jedem, der neu zuziehen will, die Möglichkeit offen, sein geliebtes Haustier mitzunehmen. 

Zuversichtlicher Blick in die Zukunft

Auch dank ihres guten Teams ist Silva Ditfe zuversichtlich, dass die zukünftigen Herausforderungen gut händelbar sind. Mittlerweile gibt es schon einen Alltag in dem ehemaligen Schulgebäude, bei dem ganz gut sichtbar wird, wie sich die Bewohner*innen an die WG-Situation gewöhnt haben. Dabei sind die Anforderungen in den beiden Etagen ganz unterschiedlich. Der eine mag es eher gemütlich und die andere will möglichst viel Aktivität. Interessen zu vereinen und ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen – darin liegt die Kunst, damit wächst die Harmonie in der WG. „Mit der Zeit sieht man die Senior*innen auch als einen Teil seiner Familie an“ so beschreibt Silva Ditfe den Zusammenhalt in der WG. Und in Krisenzeiten hält eine Familie eben zusammen und trauert auch gemeinsam. 

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