Der Familie eine Chance geben

Die Thüringer Landtagsabgeordnete Karola Stange zu Gast in der integrierten Familienhilfe "Haus am Fischersand" der AWO AJS gGmbH in Erfurt.

Es liegt ganz unscheinbar in einer Gasse in der Erfurter Altstadt, die integrierte Familienhilfe "Haus am Fischersand" der AWO AJS gGmbH. Kein Spaziergänger oder Tourist vermutet hinter der 2018 sanierten Fassade eine soziale Einrichtung. Nicht selten spielen sich hier kleine und große Dramen ab. In schwierigen Lebenssituationen erhalten Familien hier Hilfe und Unterstützung, damit sie ihr Leben wieder eigenständig meistern können. 

Ganzheitliche Hilfe für die ganze Familie

Im Jahr 2005 startete ein neues sozialpädagogisches Angebot für Familien in schwierigen Lebenssituationen. Das Familienleben von Eltern und Kindern positiv zu fördern, ist Anliegen der Zusammenarbeit mit den Familien. Engagierte und erfahrene Fachkräfte begleiten die Familien auf ihrem Weg aus Gewalt, Überforderung, Verschuldung und hoffnungslosen Lebensperspektiven.

Gemeinsam streben die Mitarbeiter*innen an, Eltern und Kinder nicht zu trennen bzw. Familien wieder zusammen zu führen, deren Kinder in Kinderheimen, Pflegefamilien oder Inobhutnahme-Einrichtungen untergebracht waren. Für Eltern ist diese Hilfe eine Chance auf Veränderung und ein mutiger Schritt für einen Neuanfang. Der Alltag in der Wohngemeinschaft bedeutet Verantwortung für die eigenen Kinder zu übernehmen, Erziehung zu lernen, den Alltag zu meistern, Toleranz und gegenseitige Achtung zu üben. Das gemeinsame Ziel sind starke Eltern für glückliche Kinder.

"Zu uns werden Familien vermittelt, bei denen es eigentlich meistens schon fünf vor zwölf ist", berichtet die Einrichtungsleiterin Franziska Rau. "In den Biografien der Eltern, die bei uns leben, spielen Sucht, Schulden, Kindeswohlgefährdung, häusliche und sexuelle Gewalt oft eine große Rolle." Die Vermittlung der Familien erfolgt über das Jugendamt.

Sie sitzt gemeinsam mit der Thüringer Landtagsabgeordneten Karola Stange (Die Linke), der Verbundleiterin Andrea Schreiber und Sonja Tragboth, Grundsatzreferentin der AWO für den Bereich Familie, am Küchentisch im "Haus am Fischersand".

In den vergangenen 16 Jahren des Bestehens der Einrichtung beobachten die Fachkräfte die Verstärkung familiärer Notlagen von Eltern und ihren Kindern. Diese äußern sich in posttraumatischen Belastungsstörungen, Sucht, psychischen Erkrankungen, Überforderung und Hoffnungslosigkeit der Eltern.

Kinder wachsen in diesen prekären Lebenswirklichkeiten auf, die ihre Chancen bereits im frühen Kindesalter bestimmen.

Ein für Thüringen einzigartiges Angebot

Das "Haus am Fischersand" ist in seinem Konzept in Thüringen einzigartig, in ganz Deutschland gibt es nur wenige vergleichbare Einrichtungen. Dabei wird hier eine ganzheitliche und nachhaltige Hilfe geleistet, wie sonst kaum irgendwo. "Die Familien wohnen hier einige Monate bis zu einem Jahr", so Franziska Rau weiter. "In dieser Zeit lernen sie, mit Konfliktsituationen ohne Gewaltanwendung umzugehen, wie Erziehung geht, wie eine ausgewogene Ernährung aussieht, den Umgang mit Geld und anderen Ressourcen, eine sinnvolle Tagesstruktur."

Auch die Lage der Einrichtung mitten im Erfurter Zentrum trägt zum Erfolg bei. In einem wohnlichen Haus und einer ruhigen Umgebung, erfahren Eltern und Kinder so gute Voraussetzungen für einen Neuanfang.

Die Einrichtung genießt einen guten Ruf bei vielen Jugendämtern in Thüringen.

Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Ämtern und Behörden ist ein großes Thema, das den drei AWO-Fachfrauen im Gespräch mit Karola Stange am Herzen liegt.

"Wir sind eine fast einzigartige Einrichtung, vielen Ämtern fällt es schwer, uns einzuordnen", bemerkt Andrea Schreiber, Leiterin des AWO Jugend- und Sozialhilfeverbunds Erfurt. Wohnformen für die ganze Familie sind im System nicht vorgesehen. „Die Einrichtung kämpft eigentlich permanent ums Überleben“, bilanziert Grundsatzreferentin Sonja Tragboth. Eine gesicherte Finanzierung dieser notwendigen Hilfe für Familien sollte ein gemeinsames Anliegen der Politik, Kommune und des Trägers sein. „Die Politik verteilt Gelder, Corona-Hilfen leider nach dem „Gießkannenprinzip“ und projektbezogen, anstatt sie in bewährte Strukturen, wie unsere Integrierte Familienhilfe zu investieren.“

Beim gemeinsamen Rundgang durch das "Haus am Fischersand" kommt die Politikerin Stange mit einer Bewohnerin ins Gespräch. Die junge Frau wischt gerade die Küche. Sie lebt mit ihren drei Kindern hier. Nach einem Jahr der Hilfe ist sie nun soweit, mit ihren Kleinen wieder selbstständig in einer eigenen Wohnung zu leben.

Der Einzug in eine eigene Wohnung scheitert gegenwärtig daran, da das Jobcenter die Heizkosten für eine größere Wohnung, die der Größe der Familie entsprechen würde, nicht anerkennen will.

Frau Rau zeigt an diesem Beispiel auf, dass es in Erfurt immer schwieriger wird, für unsere Familien finanzierbaren Wohnraum zu finden. Dies ist aber essentiell für die Familien und den Erfolg der Hilfe unserer Einrichtung.

Karola Stange verspricht, dass sie beim Jobcenter nachhakt.

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Haus am Fischersand