Nachhaltigkeit als Staatsziel

Stellungnahme des AWO-Landesverbandes Thüringen zur Gesetzesänderung der Verfassung des Freistaates Thüringen

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zum Fünften Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Thüringen ist der AWO-Landesverband zum Einbringen einer schriftlichen Stellungnahme angefragt worden. Als AWO in Thüringen haben wir uns bereits in vielerlei Hinsicht in Sachen Nachhaltigkeit auf den Weg gemacht. Unter welchen Umständen ein Staatsziel Nachhaltigkeit positive Wirkung auf unsere Tätigkeitsbereiche entfalten könnte, haben wir in unserer Stellungnahme zusammengefasst:
 

Die AWO ist als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege Trägerin von hunderten Einrichtungen und Diensten der sozialen Arbeit sowie Arbeitgeberin von rund 10.000 Beschäftigten in Thüringen. Aus dieser Größe sowie aus ihrem Wertebekenntnis leitet sich eine entsprechende Verantwortung ab, wenn es um das Erreichen der 17 Nachhaltigkeitsziele geht.

Die AWO bekennt sich zum 1,5 °C-Ziel der Klimakonferenz von Paris. Dabei bildet die Agenda 2030 der UN ein Orientierungsrahmen, welcher mit den formulierten 17 Zielen einer nachhaltigen Entwicklung (SDGs) untersetzt ist. Die 2016 beschlossene Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung orientiert sich an den 17 Nachhaltigkeitszielen und zeigt dadurch, dass Ziele in konkrete Maßnahmen gegossen werden können. Bereits im 2019 bekräftigte der AWO-Landesverband anlässlich der Thüringer Landtagswahl seine Forderung nach einer konsequenten Umsetzung der Ziele und Maßnahmen, die im Thüringer Klimaschutzgesetz formuliert sind.

Ob Nachhaltigkeit als Staatsziel eine Wirkung zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einer nachhaltigen Lebensweise entfaltet, muss sich zeigen. Ziele und Maßnahmen müssen konkret benannt und umgesetzt werden. Klimawandel, Ungleichheit und Armut sowie fehlende Geschlechtergerechtigkeit und -gleichstellung sind nicht nur global, sondern auch in Thüringen große Herausforderungen. Die Aufnahme von Nachhaltigkeit als Staatsziel kann hierbei eine symbolische Wegmarke, aber nicht das Ziel sein.

Insofern die Aufnahme des Nachhaltigkeitsbegriffs in die Verfassung eine erhöhte Priorität bei der Umsetzung von Maßnahmen nach sich zieht, kann dies in verschiedenen Tätigkeitsfeldern der AWO Wirkung entfalten. Dies erfordert klare politische Rahmenbedingungen und Investitionsanreize in Sachen Nachhaltigkeit. Es bedeutet den Aufbau von Unterstützungs- und Begleitstrukturen bei der Übersetzung von Zielformulierungen in konkrete Maßnahmen, etwa bei Gebäudesanierungen und Gebäudeenergie, klimafreundlicher Verpflegung, nachhaltiger Beschaffung oder Mobilitätskonzepten.

Die Aufnahme des entsprechenden Staatsziels Nachhaltigkeit kann sowohl bei der internen als auch bei der externen Kommunikation hinsichtlich gezielter Veränderungsprozesse unterstützende Wirkung haben. Es hebt gegenüber Verharrungskräften und Kritikern die Wichtigkeit und Notwendigkeit hervor, Gewohnheiten in Frage zu stellen und entsprechende Maßnahmen anzugehen.

Die genannten Dimensionen des Staatsziels fokussieren sich stark auf das Thema der Generationengerechtigkeit. Unserer Ansicht nach sind den Dimensionen der Nord-Süd-Gerechtigkeit sowie dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur mindestens genauso Rechnung zu tragen, um der Vielschichtigkeit und Komplexität des Nachhaltigkeitsbegriffs zu entsprechen. Darüber hinaus sind die besonderen Gegebenheiten in Thüringen als Flächenland mit starker ländlicher Prägung hinsichtlich von Gerechtigkeitsfragen in besonderem Maße zu berücksichtigen.

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